„Historisch nicht neu“

Von Redaktion · · 2015/07

Warum man den Handel mit Land nicht einfach verbieten kann und es mehr Augenmaß und mehr Aufmerksamkeit für das Phänomen Landraub braucht, erklärt der Wissenschaftler Andreas Exenberger.

Wie lange gibt es das Phänomen des „Landgrabbing“ bzw. „Landraubs“ schon?

Den Begriff „Landgrabbing“ gibt es in seiner jetzigen Bedeutung erst seit der Agrarkrise von 2007. Damals stiegen – erstmals nach Jahrzehnten – die Preise für Nahrungsmittel deutlich an, was zu einer Versorgungskrise und gesteigertem Interesse an Agrarland von Seiten transnationaler Akteure, privater Unternehmen ebenso wie staatlicher Fonds und Regierungen führte. Der Begriff ist daher nicht zufällig negativ gefärbt. Er verweist darauf, dass jemandem etwas „weggenommen“ wird. Historisch ist das natürlich nicht neu. Im Kolonialismus geschahen solche „Landnahmen“ in viel größerem Ausmaß, meist als echter Raub mit Waffengewalt. Heute findet das auf dem Markt mit Geld statt. Zwischendrin haben sich große Agrarunternehmen immer ähnlicher Praktiken bedient.

Wo hören Agrarinvestitionen auf und fängt Landraub an?

Das ist schwer zu sagen und ein großes Problem für Forschung und Aktivitäten vor Ort. Die marketinggerechten Argumente für „Landgrabbing“ verweisen auf die Vorteile: Wer verkauft, bekommt Geld, wer kauft, kann mit Erträgen rechnen und der Staat kassiert Abgaben. Natürlich gibt es Beispiele, wo auf freiwillig und zu fairen Preisen verkauftem Land Sinnvolles produziert wird. Gleichzeitig gibt es aber zu viele Fälle, in denen Menschen von ihrem Land vertrieben werden, das dann eingezäunt wird und als spekulative Reserve oder zur Produktion von Exportgütern mit geringen Effekten für die Wirtschaftsleistung vor Ort dient. Die problematische „Landnahme“ fängt dort an, wo infolge prekärer Besitzverhältnisse und Mitbestimmungsmöglichkeiten Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt und mit Almosen abgespeist werden. Man muss daher sehr genau unterscheiden. Ohne Agrarinvestitionen werden wir die Herausforderung der Welternährung nie bewältigen. Folgen diese Investitionen aber nur der Logik der Kaufkraft, werden die Armen verhungern. Folgen sie den lokalen Erfordernissen und fördern z.B. nachhaltig produzierende kleinbäuerliche Strukturen, sieht das anders aus.

Welche Regionen sind am stärksten betroffen?

Südostasien und das subsaharische Afrika, z.B. Indonesien, Papua-Neuguinea, die Philippinen, Südsudan, Kongo, Mosambik, Guinea und Liberia. „Landgrabbing“ gibt es aber auch in Europa, vor allem im Osten. Insgesamt reden wir bereits von mehreren Prozent der weltweiten Agrarfläche. Das Abgrenzungsproblem sieht man z.B. daran, dass Südamerika kaum betroffen scheint, dort aber schon länger global tätige Konzerne mit vergleichbaren Praktiken vorgehen.

Andreas Exenberger ist Wirtschafts- und Sozialhistoriker an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Universität Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte sind Globalisierungs-, Armuts- und Entwicklungsforschung. Er ist u.a. Mitautor von „Unser kleines Dorf“ (2009) und „Leidenswege der Ökonomie“ (2014).

Welche Rolle spielen österreichische Akteure?

Rein quantitativ keine wichtige, da gibt es ganz andere Spieler. Aber österreichische Akteure sind durchaus aktiv, vor allem in Rumänien und der Ukraine sowie in anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas, aber auch in Ostafrika.

Welche Regulierungen bräuchte es, um dem Landraub Einhalt zu gebieten?

Auch das ist nicht einfach, weil zu viel Regulierung auch Chancen nimmt. Den „Handel“ mit Land einfach zu verbieten, macht in meinen Augen keinen Sinn. Es bräuchte aber eine Verkoppelung der Verantwortung. Es geht einfach nicht, dass Unternehmen aus Europa sich an Menschenrechtsverletzungen beteiligen, die Verantwortung dafür aber auf ihre Partner vor Ort oder die Kräfte des Marktes schieben. Da die existierenden unverbindlichen Standards offenbar nicht ausreichen, muss das Thema auf die Agenda internationaler Organisationen und insbesondere der EU. Neben Akteuren aus den USA, Ostasien, Indien und der Golfregion sind europäische Unternehmen schließlich federführend. Gleichzeitig braucht es Unterstützung für lokale Akteure, sodass diese wirksamen politischen Widerstand gegen unerwünschte Praktiken leisten und sich zugunsten besserer Konditionen organisieren können.

Was würden Sie sich in der Diskussion wünschen?

Mehr Augenmaß für die Chancen von grenzüberschreitenden unternehmerischen Kooperationen auf Seiten der Kritikerinnen und Kritiker und viel mehr Aufmerksamkeit für die Gefahren von Landtransaktionen für die lokale Bevölkerung auf Seiten der Befürworterinnen und Befürworter. Es geht um die Erweiterung von Verwirklichungschancen für alle Beteiligten – umso mehr, je benachteiligter sie bisher waren.

E-Mail-Interview: Christina Bell.

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